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Hermann Hesse 37

Skizzenblatt

Kalt knistert Herbstwind im dürren Rohr,
Das im Abend ergraut ist;
Krähen flattern vom Weidenbaume landeinwärts.

Einsam steht und rastet am Strande ein alter Mann,
Spürt den Wind im Haar, die Nacht und nahenden
Schnee,
Blickt vom Schattenufer ins Lichte hinüber,
Wo zwischen Wolke und See ein Streifen
Fernsten Strandes noch warm im Lichte leuchtet:
Goldenes Jenseits, selig wie Traum und Dichtung.

Fest im Auge hält er das leuchtende Bild,
Denkt der Heimat, denkt seiner guten Jahre,
Sieht das Gold erbleichen, sieht es erlöschen,
Wendet sich ab und wandert
Langsam vom Weidenbaume landeinwärts.

Soiree

Man hatte mich eingeladen,
Ich wußte nicht warum;
Viel Herren mit schmalen Waden
Standen im Saal herum.
Es waren Herren von Namen
Und von gewaltigem Ruf,
Von denen der eine Dramen,
Der andre Romane schuf.
Sie wußten sich flott zu betragen
Und machten ein groß Geschrei.
Da schämte ich mich zu sagen,
Daß ich auch ein Dichter sei.

Sommer

Das Blau der Ferne klärt sich schon
Vergeistigt und gelichtet
Zu jedem süßen Zauberton,
Den nur September dichtet.

Der reife Sommer über Nacht
Will sich zum Feste färben,
Da alles in Vollendung lacht
Und willig ist zu sterben.

Entreiß dich, Seele, nun der Zeit,
Entreiß dich deinen Sorgen
Und mache dich zum Flug bereit
In den ersehnten Morgen.

Sommernacht

Die Bäume tropfen vom Gewitterguß,
im nassen Laub glänzt Mondlicht kühlvertraut,
vom Tal herauf der unsichtbare Fluß
tönt dunkel her mit ruhelosem Laut.
Jetzt im Gehöfte schlagen Hunde an -
o Sommernacht und halbverhangene Sterne
wie reißt es mir auf eurer bleichen Bahn
das Herz hinaus in Reiserausch und Ferne!

Sommer ward alt...

Sommer ward alt und müd,
Läßt sinken die grausamen Hände,
Blickt leer übers Land.
Es ist nun zu Ende,
Er hat sein Feuer versprüht,
Seine Blumen verbrannt.

So geht es allen. Am Ende
Blicken wir müd zurück,
Hauchen fröstelnd in leere Hände,
Zweifeln, ob je ein Glück,
Je eine Tat gewesen.
Weit liegt unser Leben zurück,
Blaß wie Märchen, die wir gelesen.

Einst hat Sommer den Frühling erschlagen,
Hat sich jünger und stärker gewußt.
Nun nickt er und lacht. In diesen Tagen
Sinnt er auf eine ganz neue Lust:
Nichts mehr wollen, allem entsagen,
Hinsinken und die blassen
Hände dem kalten Tode lassen,
Nichts mehr hören noch sehen,
Einschlafen ... erlöschen ... vergehen ...

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