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Venezianische Gondelgespräche
I
Komm, wir wollen einen Schmuck erdenken,
Den wir eins dem andern wollen schenken,
Wenn einmal wir beide arme Kinder
Fürsten werden sein und Schätzefinder.
Eine Kette hab ich dir ersonnen:
Perlen, fern im Orient gewonnen,
Perlen, die perlmuttern und opalen
Mit versteckten jähen Lichtern prahlen;
Dieser Perlen reiche Reihen sollen
Endigen in einen wundervollen
Busenstern von lachenden Rubinen,
Die begierig deiner Schönheit dienen
Und inmitten eine Platte tragen,
Drauf in altem Golde aller Sagen
Lieblichste in zarter Arbeit leuchtet:
Aphrodite, welche schaumbefeuchtet
Aus der Welle schwebt. Die Göttin trüge
Deiner eigenen Schönheit schöne Züge.
Ich hinwieder wünsche mir aus Glase
Eine schlankgeformte, hohe Vase.
Ihre Wände müßten meergrün schimmern
Und wie Sonnenschein am Lido flimmern,
Hundertfarbig mit dem Licht im Bunde,
Irisspielend jegliche Sekunde.
In Murano soll der beste Bläser
Schaffen uns dies Wunder aller Gläser,
Tag und Nächte soll er wund sich mühen,
Bis ihm Farbenwunder traumhaft blühen
Und aus seiner reichsten Träume Gluten
Uns der fabelhafte Kelch wird fluten.
Dann an warmen Abenden wie heute
Tönt der Kelch ein wundersam Geläute
Und wir beide hören zu und schweigen,
Bis aus dem Geläute Lieder steigen,
Lieder, die wie Fabeln fremder Zeiten
Fremd und schön in langen Takten gleiten,
Tief in Zauberglück die Seele hüllen,
Aller scheuesten Sehnsucht Wunsch erfüllen.
Hörst du, Gina? Hörst du nicht? - Es ziehen
Schon vom Ufer her die Melodien,
Es erglänzen schon in jähen Garben
Unsres Kelches tausendfache Farben!
Über Redentore hängt verblühend
Reif und schwer die Sonne, blutrot glühend,
Die Lagune leuchtet auf in großen
Feuerfeldern, blüht in roten Rosen,
Feiert aller Farben reichste Feste,
Überströmt mit Prunk uns stille Gäste.
Nein, der Bläser soll sich nicht bemühen,
Schau, hier siehst du meine Vase glühen!
Irgendwo im blauen Meere hinten
Werden wir auch deine Kette finden.
II
Was ich träume, fragst du? Daß wir beide
Gestern starben und im weißen Kleide,
Weiße Blumen in den losen Haaren,
In der schwarzen Gondel meerwärts fahren.
Glocken läuten fern vom Kampanile,
Werden leiser, werden bald vom Kiele
Übergurgelt, den die Wellen schlagen.
Weiter meerwärts werden wir getragen,
Dorthin, wo mit himmelhohen Masten
Schiffe schwarz am Horizonte rasten,
Wo die Fischerbarken mit den feuchten
Rot und gelben Segeln tiefer leuchten,
Wo die blauen großen Wogen brausen,
Wo die wilden Schiffermöwen hausen.
Dort, durch eines Wassertores blauen Rachen
Segelt abwärts unser leichter Nachen
In die Tiefen, deren weite Räume
Fremd erfüllen die Korallenbäume,
Wo in Muscheln, die verborgen glimmern,
Bleiche Riesenperlen köstlich schimmern,
Scheue Silberfische glänzen leise
Uns vorbei und lassen Farbengleise,
Deren Furchen andre überglänzen
Mit den goldenroten, schlanken Schwänzen.
Träumend dort in meilentiefer Tiefe
Wird uns sein, als ob zuweilen riefe
Einer Glocke Ton, ein Windeswehen,
Deren fernes Lied wir nicht verstehen,
Deren fernes Lied von engen Gassen
Redet, die wir langeher verlassen,
Und von Dingen, die wir ehmals kannten,
Und von Wegen, die wir ehmals fanden.
Einer Straße, eines Kircheninnern
Werden wir verwundert uns erinnern,
Eines Gondelrufs und mancher Namen,
Die wir manchesmal vorzeit vernahmen.
Lächelnd, wie im Schlaf die Kinder pflegen,
Werden wir die stummen Lippen regen,
Und das Wort wird, eh wir's können lallen,
In Vergessenheit und Traumtod fallen.
Über uns die großen Schiffe gleiten,
Dunkle Barken bunte Segel breiten,
Große Vögel in der Sonne fliegen,
Blanke Netze auf dem Wasser liegen,
Und darüber hoch und rein gezogen
Eines Sonnenhimmels blauer Bogen.
III
In Burano, wo an ihren Spitzen
Hundert schöne Mädchen fleißig sitzen,
Mit den weißen, allzu spitzen, raschen
Fingern eilig fügen feine Maschen,
Wo an wundervoll geschaffenen Stücken
Fremde schöne Damen sich entzücken,
In Burano bin ich heut gewesen,
Ein Geschenk dir, Gina, zu erlesen.
Ah wie glänzten die brillanten, frischen
Zartgeblümten Zeuge auf den Tischen!
Ah wie zart in tastend leisen Händen
Fühlte ich der feinen Nähte Enden!
Einen Spitzensaum und sieben Krägen
Ließ ich sorgsam mir beiseite legen;
Daß ein feiner Schmuck dich würdig ziere,
Gab ich gerne sechzehnhundert Lire.
Dann erschaute ich und ließ mir reichen
Weiße Seidenkissen, die mit weichen
Breiten Säumen edler Arbeit prangten,
Säume, deren Fries von reichgerankten
Spitzenkränzen und erhabnen Rosen
Mir verlockend schien, darauf zu kosen
Holde Liebesstunden. Zwölf Zechinen
Zahlte ich für jedes Stück von ihnen.
Eine Gondel ließ ich damit füllen
Und mit starkem Segeltuch verhüllen.
Diese Gondel, leider muß ich's sagen,
Ward hinaus ins offene Meere verschlagen,
Und ich fürchte, unsre schönen Sachen
Werden nun den Fischen Freude machen.
In den weißen Spitzenrankenkränzen
Werden schlanke Silberfische schwänzen,
Durch die Maschen, die so köstlich waren,
Wird der Thunfisch und der Hering fahren,
Und die seideweichen Liebeskissen
Werden von der Störe Brut zerschlissen.
Einzig eine kleine, arme Haube
Blieb mir über und entging dem Raube.
Nimm sie, Schönste, an der Schätze Stelle,
Die mir tückisch stahl der Gott der Welle.
IV
Meiner Heimat Namen soll ich sagen?
Irgendeinen andern mußt du fragen,
Dem des Sternenhimmels weite Räume
Wohlbekannt sind und das Land der Träume.
Meine Heimat liegt in goldnem Kreise,
Keines Wanderers noch Schiffers Reise
Mag die schönen, silberhellen, weichen
Küsten und Gestade je erreichen,
Keines Weisen Mund nennt ihren Namen;
Dennoch viele sind, die dorther kamen,
Viele, die in Heimwehnächten ferne
Sie erträumen im Bezirk der Sterne,
Die in Angst und Sehnen nach ihr rufen,
Die ihr Bild in dunkler Seele schufen
Und die Ahnung alles Besten, Großen
In dies Bild und alle Liebe schlossen.
Dieser Einer bin ich, und ich reise
Ohne Rast nach jenem goldenen Kreise.
Deiner Stimme Klang und deines Haares
Koseduft weckt mir ein wunderbares,
Liebes Angedenken jenes Landes,
Dessen namenloses, unbekanntes
Heimatglück ich Ahnender empfunden
Jenes Tages, da ich dich gefunden.
Und ich ahne: unsre regen Seelen,
Während auf den ruhigen Kanälen
Uns die Gondel führt auf Dämmerwegen,
Reisen meinem Vaterland entgegen,
Reden heimatlich vertraute Worte,
Pochen an des fernen Landes Pforte,
Sagen seinen fremden, selig süßen
Namen, während unsre Lippen küssen.
V
Dort am Horizonte kannst du sehen
Eines Schiffes stille Masten stehen
An des Meeres allerfernstem Rande,
Ostwärts steuernd nach dem fremden Lande.
Seine schwarzen, scharfgezognen Masten
Wie verzaubert in der Bläue rasten.
Ist es nicht, als ob’s ein Heimweh trüge,
Einen Schiffer, dessen Segelflüge
Irgendeine Insel, eine Küste
Suchen, die er unerreichbar wüßte?
Dieser Schiffer ist, der heimwehsieche,
Fern von hier zu Hause, ist ein Grieche.
Seine Heimatinsel aufzufinden
Kämpft er ohne Rast mit Flut und Winden,
Jahrelang durch aller Zonen Kreise
Kreuzt die Meere seine Heimwehreise.
Siehst du ferne seine Masten treten
Aus der Bläue, dann vergiß zu beten
Niemals zu der Mutter aller Gnaden,
Daß sie ihm und uns auf allen Pfaden
Licht und Ausgang weise und am Ende
Unser Steuer zu den Sternen wende.
VI
Sieh, die Glockenmänner sind am Schlagen!
Zitternd von der warmen Luft getragen
Folgen unentrinnbar allerwege
Uns die schonungslosen Stundenschläge.
Stille Liebe, gib mir deine Hände
Noch einmal! Der Zauber ist zu Ende,
Dem wir folgten so viel süße Gänge
Durch der Gassen und Kanäle Enge.
Morgen muß ich diese schmalen Gassen
Und die Stadt und dich und alles lassen,
Muß zurück in meinen wolkendunkeln
Norden, wo die bleichen Gletscher funkeln,
Wo man deiner Sprache reiches Tönen
Nicht versteht und nichts versteht vom Schönen,
Noch von Klang noch Freude. Dunkle Lose
Warten meiner in der Heimat Schoße.
Bei des Herdes Licht in wachen Nächten
Werd ich Kränze weher Lieder flechten
Um dein Bildnis, werde traurig träumen
Von den leuchtenden Lagunensäumen,
Niemals störte unsre Seligkeiten,
Die so still und lachend uns beglückten,
Die mit Küssen wir und Liedern schmückten.
Tief im Traume wird mich dann zuweilen
Deiner schönen Stimme Klang ereilen
Venezianische Koseworte sagend,
Allen Duft des schönen Damals tragend.
Und ich werde mit verborgenen Tränen
Mich nach dir und nach Venedig sehnen ...
- Gondoliere, nach San Vio! - Müde
Schweigt die Glocke. Gib mir die verblühte
Gelbe Rose noch aus deinen Haaren!
Und nun wollen wir nach Hause fahren.
Zu Johannes dem Täufer
Zu Johannes dem Täufer sprach Hermann der Säufer
Alles ist mir ganz willkommen,
Laß uns weiter schlendern!
So hat's seinen Lauf genommen,
Nichts ist mehr zu ändern.
Schau, ich hin ein leeres Haus,
Tür und Fenster offen,
Geister taumeln ein und aus,
Alle sind besoffen.
Du hingegen hast noch Geld,
Zahle was zu trinken,
Voller Freuden ist die Welt,
Schade, daß sie stinken.
Andre Dichter trinken auch,
Dichten aber nüchtern,
Umgekehrt hab ich's im Brauch,
Nüchtern bin ich schüchtern.
Aber so beim zehnten Glas
Geht die Logik flöten,
Dann macht mir das Dichten Spaß.
Ohne zu erröten,
Preise ich des Daseins Frist,
Lobe aus dem Vollen,
Bin Bejahungsspezialist,
Wie's die Bürger wollen.
Wer des Lebens Wonnen kennt,
Mag das Maul sich lecken.
Außerdem ist uns vergönnt,
Morgen zu verrecken.
Zu Jugendbildnissen
So blickt aus sagenhafter Frühe
Mein Jugendbild mich an und fragt,
Ob von dem Licht, das einst getagt,
Noch etwas leuchte, etwas glühe.
Den damals ich vor mir gesehen,
Der Weg hat mir viel Pein und Nacht
Und bittre Wandlungen gebracht;
Ich möcht' ihn nicht noch einmal gehen.
Doch ging ich meinen Weg in Treuen
Und halte sein Gedächtnis wert.
Viel war verfehlt, viel war verkehrt,
Und doch kann ich ihn nicht bereuen.
Zu spät
Altmodisch steht mit schmächtigen Pilastern
Wie sonst das Schloß. Auf violetten Astern
Irrt noch ein später Falter her und hin
Mit krankem Flügelschlagen,
Und welke Beete sagen,
Daß ich zu spät gekommen bin.
Und am Balkon in seidenen Gewändern,
Mit stolzen Augen in vertrübten Rändern,
Steht trüb und stolz die blasse Königin,
Und will die Hand erheben, -
Und kann mir nicht vergeben,
Daß ich zu spät gekommen bin.
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